Gelesen :: Kim Thúy – Der Geschmack der Sehnsucht

Gelesen :: Kim Thúy – Der Geschmack der Sehnsucht

Dieses kleine Büchlein ist ebenfalls noch ein Ergebnis der letzten Buchmesse: Kim Thúys, Der Geschmack der Sehnsucht. Es sprach mich sofort an: Sowohl Titel als auch Cover. Beim Stöbern am Stand des Kunstmann Verlages blieb ich einfach daran hängen und kam nicht mehr davon los.

Es wird die Geschichte einer Vietnamesin erzählt, die als Kind in vietnamesischen Bürgerkrieg mehrfach die Familie wechselt, ja regelrecht weitergereicht wird. Als junge Frau wird eine Ehe für sie arrangiert und sie wandert mit ihrem Mann nach Kanada aus. Dort eröffnen sie eine Art Suppenküche. Die Küche ist ihre ganze Welt, das Kochen ist ihr Leben. Von der Welt außerhalb ihrer Küche bekommt sie zunächst nicht viel mit. Dies ändert sich, als sich ihre Kochkünste herumsprechen und die Suppenküche immer erfolgreicher wird. Mit dem Erfolg kommen neue Freunde hinzu und sie lernt, was es heißt zu lieben und dieser Liebe auch Ausdruck zu verleihen. Aber ebenso lernt sie die Sehnsucht kennen.

In Rückblenden erfährt der Leser, welches Schicksal die Protagonistin durchgemacht hat und wie sie sich nun verändert. Das Gefühl der Heimatlosigkeit, das Unterdrücken jeglicher Emotion, die Anpassung an die Gegebenheiten um zu Überleben (physisch wie auch psychisch) aber auch die Veränderung sind Themen, die sich durch das ganze Buch ziehen. Die Kapitel sind sehr kurz, zum Teil sind es sogar nur Absätze. In der Marginalspalte sind zentrale Themenwörter in deutsch und vietnamesisch abgedruckt. Eine wirklich spannende Idee, die zu dem Buch auch grafisch hervorragend passt.

S.86

Einprägsam sind auch die Szenen, in denen die Köchin ihre Rezepte entwickelt. Sie erinnert sich z. B. an eine Stadt und ein Gericht und lässt es wieder in ihrer kanadischen Küche entstehen. Dabei ruft sie bei den Gästen Erinnerungen an ihre Heimatstädte hervor, von denen viele ebenso wie sie ausgewandert sind.

„So brauchte ich bloß in Gedanken nach Cho Lòn zu reisen, in das große chinesische Viertel von Saigon, um auf die Idee zu kommen, den Gastfreunden meines Mannes Schweinefleischfrikadellen anzubieten, mit einem kleinen Stück Rippchen gefüllt und mit einem Hauch Tomatensauce in Dampf gegart. Ganz selbstverständlich wird dieses Gericht mit Baguettebrot serviert, als wäre Frankreich seit jeher Teil der chinesisch-vietnamesischen kulinarischen Tradition.“ S. 38 f.

„Einer der Gäste kam aus Rach Giá, einer Küstenstadt, in der eine Hauptspeisensuppe aus gedünstetem Fisch und Fadennudeln, angereichert mit Schweinefleisch und Garnelenrogen karamellisierten Garnelen erfunden worden war. Als ich seine Schale dann noch mit etwas in Essig eingelegtem Knoblauch würzte, liefen ihm Trränen über die Wangen. er habe sein Land geschmeckt, murmelte er, während er die Suppe aß, sein Land, wo er groß geworden sei, wo er geliebt werde.“ S. 39

Es ist eine Geschichte, die leise und ruhig erzählt wird, die aber trotzdem voller Emotionen, Veränderungen und eindrucksvoller Charaktere ist. Im Deckeltext ist zu lesen „Kim Thúys berührender Exilroman“ und dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.

Kim Thúy, Der Geschmack der Sehnsucht, übersetzt von Andrea Alvermann und Brigitte Große, Kunstmann Verlag 2014, ISBN 978-3-88897-928-6, 143 Seiten.

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