Es wird einem schon etwas mulmig zu Mute, wenn man daran denkt, was alles unter unseren Füßen in den Großstädten passiert: Tunnel, Höhlen, Bahnhöfe, Nekropolen. Die Erde ist zum Teil durchlöcherter als der berühmte Schweizer Käse, der für diese Vergleiche immer gerne herangezogen wird. Es gibt so vieles „unter dem Asphalt“, von dem wir zwar häufig wissen – manchmal auch nicht -, das wir uns aber nicht wirklich bewusst machen. Leoni Hellmays hat sich nun gerade mit diesem bekannten und unbekanntem Untergrund in ihrem Buch „Unter dem Asphalt. Was unter den Metropolen der Welt verborgen liegt“ beschäftigt.
Los geht es mit Paris und Neapel und ihren unterirdischen Friedhöfen. Die Katakomben, die zum Teil aus der Not heraus entstanden sind, da es auf den oberirdischen Friedhöfen keinen Platz mehr gab. Zunächst Steinbruch, dann Friedhof – so liest sich die Geschichte unter Paris. Die Franzosen dachten praktisch, aber dass das Unterhöhlen ihrer Stadt auch Gefahren in sich barg, merkten sie spätestens, als zum Teil Häuser und Straßen wieder einbrachen und zusammenstürzten.
Anschaulich und in einer sehr klaren und offenen, aber keineswegs verstaubten Sprache schreibt Leoni Hellmayr über die Gefahren, Erfindungen und Erlebnisse im Untergrund von Paris und Neapel. Aber auch Berlin, Hamburg und Wien mit ihren Luftschutzräumen und -bunker, New York und Moskau mit ihren Metrolinien, Istanbul, Rom und Tokio mit ihrer Wasserversorgung und den natürlichen Flüssen und Höhlen unter London und Budapest widmet sie sich in immer wieder spannenden Kapiteln. Schließlich darf ein Kapitel über die Ausgrabungen in Köln, Lima und Mexiko-Stadt nicht fehlen und auch die riesigen unterirdischen Städte von Montreal und Peking werden abschließend kurz beleuchtet. Die Auswahl der Städte scheint ein wenig bunt zu sein, aber sie spiegelt sehr schön die unglaubliche Vielfalt und die unterschiedlichen Formen des Lebens im Untergrund wieder.
Viele der Orte sind nicht zugänglich bzw. nur mit einer Führung des jeweiligen Untergrund-Vereins zu entdecken. Hellmayr hat hierzu aber alle wichtigen Informationen zusammengesucht und die Kontaktadressen ganz praktisch im Anhang aufgelistet.
Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube und man möchte unweigerlich den Untergrund seiner eigenen Stadt erkunden. Neben den tollen Entdeckungen von palastartigen Bahnhofshallen oder Schlafstätten weist Hellmayr aber auch auf die Schwierigkeiten hin, die das Leben und Arbeiten im Untergrund mit sich bringen. Die Gefahren, denen sich die Arbeiter aussetzen, sind zahlreich. Unfälle, Erd- und Stolleneinstürze, Explosionen und ähnliches passieren unter Tage.
Aber auch die Geschichte kann zerstört werden. Die Archäologie kennt das nur zu gut. „Städte wachsen, oft ohne Rücksicht gegenüber dem, was unter ihnen liegt.“ (S. 143) Die Schwierigkeiten, auf die Archäologen stoßen, wenn ein Bauprojekt in einer Metropole durchgeführt werden soll, beschreibt sie sehr schön in ihrem Kapitel zu Köln, Lima und Mexiko-Stadt. Abgesehen von den oft problematischen Finanzierungen für solche Ausgrabungen, kämpfen die Archäologen bei Notgrabungen gegen die Zeit. Und sie stehen vor den Entscheidungen, welche Funde sind wichtig und müssen erhalten bleiben, welche nicht. Denn trotz aller Bemühungen, kann man nicht alles retten.
Leonie Hellmayr hat ein wirklich mitreißendes Sachbuch geschrieben. Es ist erfrischend, dabei sehr informativ und überhaupt nicht trocken; immer noch eine Seltenheit unter den deutschen Sachbüchern in der Archäologie.
Leoni Hellmayr, Unter dem Asphalt. Was unter den Metropolen der Welt verborgen liegt, Theiss Verlag 2014, ISBN: 9783806227161, 192 Seiten.
Total interessant. Vielleicht sollte ich mir mehr Zeit nehmen und lesen.