Qualityland von Marc-Uwe Kling

Qualityland von Marc-Uwe Kling
Das Juli-Buch des Umgeblättert-Buchclubs ist Qualityland von Marc-Uwe Kling.
Das Juli-Buch des Umgeblättert-Buchclubs ist Qualityland von Marc-Uwe Kling.

Im Juli habe ich einen Readalong im Umgeblättert-Buchclub angeboten. Er lief diesmal über Goodreads. Meine Zusammenfassungen und Gedanken zu dem Buch möchte ich auch hier im Blog wiedergeben. Der Readalong lief drei Wochen lang bis 31.7. Gelesen haben wir Qualityland von Marc-Uwe Kling. Ich habe das Buch gerne gelesen, war aber auch unentschlossen, wie ich es schlussendlich fand. Aber seht selbst.

 

Woche 1 (bis einschließlich S. 125.):

Das Buch ist faszinierend und erschreckend zugleich. Eine richtige Satire halt. Am Anfang hatte ich ein klein wenig die Befürchtung, es sind nur aneinandergereihte Kurzgeschichten, die eine ganze Welt darstellen. Aber es scheint doch einen kleinen roten Faden durch das Buch zu geben, an dem sich die Geschichte entlang hangelt.

Marc-Uwe Kling hat es schon in den Känguru-Büchern geschafft, sehr viele aktuelle Themen zu verarbeiten (aus Politik, Zeitgeschehen, aktueller In-Kultur) und genau das macht er jetzt wieder. Es macht Spaß die Dinge wieder zu erkennen, bzw. es wird mehr als deutlich, wie erschreckend manches sich entwickeln kann, wenn man es auf seine Grundaussage zuspitzt.

Das Buch liest sich außerdem extrem schnell. Die kurzen Kapitel, die von den Werbeanzeigen unterbrochen werden, sind dabei sehr hilfreich.

Bisher finde ich es ganz gut.

 

Woche 2 (bis einschließlich Seite 253):

Der mittlere Teil unterscheidet sich nicht groß vom ersten Teil. Es geht mit kurzen Kapiteln weiter. Die Welt entsteht mehr und mehr vor dem inneren Auge und die Verrücktheiten, die durch zu viel oder falsch genutzte Technik entstehen, sind nur zu verständlich.

Angesprochen werden zum Beispiel die Themen Online-Shopping, selbstfahrende Autos, das Problem überhaupt mit einem menschlichen Angestellten sprechen zu können, weil alles automatisiert ist… und und und.

Ich habe das Gefühl man könnte auf jeder Seite, bzw. auf jeder zweiten Seite einen Diskussionspunkt finden, der sich lohnt.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe Technik und die Möglichkeiten die sie bietet. Aber ich habe auch das Gefühl, dass je mehr Technik verwendet wird, desto eher der ganz normale Verstand ausgestellt wird. Das fängt beim Taschenrechner, Navi und Co. an und endet dann vielleicht bei einem nicht bestellten pinken Delfinvibrator − wie in dem Buch − und einem falschen Profil, weil die „Maschinen ja nicht lügen“. Wir manövrieren uns ein bisschen selbst ins Aus.

Erst kürzlich hat mich meine Bank beim Online-Banking gezwungen, ein neues Verfahren auszuwählen, obwohl mir das alte noch sehr gut passte. Ich hatte aber gar keine Möglichkeit „Nein danke“ oder „abbrechen“ zu klicken. Es ging nur, entweder diese eine Auswahl treffen oder keinen Zugang zum Konto zu haben. Das fand ich schon erschreckend und ärgert mich immer noch. Erinnerte mich aber direkt an die „Ok“-Variante aus dem Buch. Oder auch die massive Werbung eines großen Onlinehändlers für die Sonderaktionstage am Anfang der Woche. Jeden Tag mehrfach wurde man daran erinnert, dass man noch nicht der Sonderkunde ist, der man sein sollte. Nervig! Und ehrlich gesagt warte ich nur darauf, dass es bald gar keine andere Möglichkeit mehr gibt und jeder Kunde diese 60-80 Euro jährlich zahlen soll, dafür dass das Paket angeblich sofort am nächsten Tag ankommt (über die Lieferprobleme gewisser anderer Großindustrien möchte ich hier gar nicht reden).

Aber man sieht. Vieles ist in Arbeit und in ein paar Jahren ist das Buch Qualityland vielleicht keine Satire mehr, sondern Realität.

 

Woche 3 (bis zum Ende):

Qualityland, Marc-Uwe Kling, Piper Verlag.
Qualityland, Marc-Uwe Kling, Piper Verlag.

Der dritte Teil des Buches… Es geht weiter, wie in den zwei vorhergehenden Teilen. Ich hatte das Gefühl, dass alles das gleiche Tempo hat. Die Zeitgeist-Momente, die in den Text eingearbeitet sind, sind immer noch faszinierend und es macht Spaß sie zu entdecken. Die Plotentwicklung geht mir dabei aber insgesamt zu sehr unter. Ich hatte das Gefühl, es passiert nicht wirklich etwas. Weder mit den Charakteren noch mit der Geschichte. Es ist ein sich immer wieder wiederholender Kreis. Die Menschen erfinden Technik, um Dinge zu vereinfachen. Es gerät außer Kontrolle. Es gibt Arm und Reich, der Zwischenraum dazwischen wird immer größer. Politik oder Pseudopolitik gibt es ebenfalls weiterhin und jeder versucht den Schein aufrecht zu erhalten.

Es gibt witzige Szenen in dem Buch und generell habe ich es als Satire gelesen. Die Werbeseiten, die zwischen den Kapiteln auftauchen, sind großartig. Und wer genau hinsieht, kann sogar im Impressum einen kleinen Hinweis finden (s.u.). Auch die Querverweise auf die Känguru-Chroniken sind witzig. Es sind lauter kleine winzige Hinweise und Spielereien.

Aber ich brauche auch noch etwas anderes als nur Überziehung der Realität. Es werden spannende Diskussionen angerissen – KI, Entwicklung der Menschheit, wie viel Sicherheit sind wir bereit aufzugeben um Sicherheit zu erlangen, Filterblasen, wie treffen wir Entscheidungen – aber (das ist ein großes ABER) sie werden nur angerissen. Ich hatte das Gefühl, man wollte so viel wie möglich in dieses Buch stecken, aber leider ist dabei eine richtige Beschäftigung mit nur einer dieser Fragen auf der Strecke geblieben. Nichts geht wirklich in die Tiefe. Das fand ich ein wenig schade. (Vielleicht ist auch das ein Stilmittel um die Oberflächlichkeit der heutigen Welt anzuprangern??? Keine Ahnung. Ich fand, es fehlte etwas.)

Ich finde es sehr schwer, dieses Buch zu bewerten. Einerseits mag ich diese immer wieder kurz gehaltenen Kritiken am System, die das ganze Buch durchziehen. Die Querverweise auf andere berühmte Medien, Literatur und Personen sind witzig und machen Spaß. Aber ganz zufrieden macht mich das Buch auch nicht.

 

Interessante Stellen:

Impressum: „Dieses Buch kann sich nicht mit dem Internet verbinden. Trotzdem kannst du Kommentare darin hinterlassen. Diese wird aber sehr wahrscheinlich keiner lesen. Du kannst dieses Buch teilen. Allerdings nicht mit all deinen Freunden auf einmal. Wenn du das Buch teilst, besteht natürlich die Chance, dass jemand deine Kommentare liest. Vielleicht kommentiert sogar jemand deine Kommentare. Um den Inhalt dieses Buches zu verändern, müsste der Verlag Leute anheuern, die heimlich nachts bei dir einbrechen, sich an dein Bücherregal schleichen und Sachen mit Filzstift durchstreichen oder mit Kugelschreiber ergänzen. Das ist möglich, aber unwahrscheinlich. Dieses Buch zu kopieren würde dich in einem Copyshop 7,10 € kosten, und die Kopie entspräche nicht eins zu eins dem Original.“

S. 12: „Niemand ist Peters persönlicher digitaler Assistent. Peter selbst hat diesen Namen gewählt, denn er hat oft das Gefühl, dass Niemand für ihn da ist. Niemand hilft ihm. Niemand hört ihm zu. Niemand spricht mit ihm. Niemand beobachtet ihn. Niemand trifft für ihn Entscheidungen. Peter bildet sich sogar ein, dass Niemand ihn mag.“

S. 21: „Martyn hat das Beste aus seinen begrenzten Möglichkeiten gemacht: Er ist Politiker geworden. Eine durchaus gängige Wahl. In gewissem Sinne ist das Parlament heute, was früher das Kloster war: der Ort, an dem die Oberschicht ihre überflüssigen Söhne loswerden kann.“

 

// Marc-Uwe Kling, Qualityland, Ullstein Verlag, ISBN-13 9783550050152, 384 Seiten.

 

Der nächste Readalong im September

Der nächste Readalong ist für September angesetzt und wir lesen Sarah Schmidts „Seht was ich getan habe („See what I have done“).

Inhalt:

»Vater ist tot!« Zutiefst verstört starrt Lizzie Borden ihren Vater an, der blutüberströmt auf dem Sofa liegt. Auch ihre Stiefmutter wird tot aufgefunden – ebenfalls hingerichtet mit einer Axt. Eindeutige Spuren sind an jenem schicksalhaften Morgen des 4. August 1892 kaum auszumachen, dafür häufen sich die Fragen. Denn während die Nachbarn in Fall River, Massachusetts, nicht begreifen, wie einer so angesehenen Familie etwas derart Grausames zustoßen kann, erzählen diejenigen, die den Bordens wirklich nahestehen, eine ganz andere Geschichte: von einem jähzornigen Vater, einer boshaften Stiefmutter und zwei vereinsamten Schwestern. Schnell erklärt die Polizei Lizzie zur Hauptverdächtigen, deren Erinnerung jedoch lückenhaft ist. Wo war sie zum Zeitpunkt der Morde? Saß sie wie so oft unter den Birnbäumen und träumte vor sich hin? Oder ist sie doch verantwortlich für diesen Albtraum?

// Sarah Schmidt, Seht was ich getan habe, Piper 2018, 384 Seiten, ISBN 978-3-86612-435-6.

 

Wer hat Lust im September mit zu lesen?

Ich würde mich freuen. Ich werde diesmal einen Masterpost im Blog hinterlegen, damit auch diejenigen, die nicht bei Goodreads sind, mitlesen können.

Wer bei Goodreads ist, findet hier den Buchclub.

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