Sprachnachrichten – Fluch oder Segen?

Sprachnachrichten – Fluch oder Segen?

Wer kennt es nicht? Man sitzt in einem Meeting, auf einmal kommt eine Nachricht herein. Eine Sprachnachricht. Sei es von den Eltern, Großeltern, dem Partner, wem auch immer. In der Regel kommen die Sprachnachrichten zu einem völlig ungünstigen Zeitpunkt, nämlich dann, wenn man sie nicht abhören kann. Und sie kommen in der Regel auch zu völlig untypischen Zeiten, zu denen die Person, die sie schickt, normalerweise nicht kommuniziert. Dementsprechend hektisch und panisch wird man.

Neulich zum Beispiel, saß ich in einer der üblichen Besprechungen und ich spürte, wie mein Handy vibrierte. Es war eine neue Nachricht im Familienchat. Mitten am Tag. Der Adrenalinspiegel stieg unweigerlich, denn unsere normale Chatzeit ist entweder morgens früh oder erst abends, wenn alle aus den Büros raus sind. Ich öffnete den Chat und stöhnte innerlich auf: Eine Sprachnachricht!

Die kann ich jetzt unmöglich abhören.

Mein Gehirn springt natürlich sofort auf Katastrophenmodus um und malt sich die schrecklichsten Dinge aus. Was ist, wenn die Person im Chat einen Unfall hatte und nur noch schnell eine Sprachnachricht aufnehmen konnte? Was ist, wenn was Schlimmes passiert ist? Zu so einer komischen Uhrzeit kann es sich nur um etwas Schlimmes handeln, alles andere hätte Zeit für später. Ihr seht, das Getriebe rattert auf Hochtouren.

Ich unternehme einen ersten Versuch zur Aufklärung und versuche irgendwie unter dem Tisch unbemerkt einen Nachricht zu schreiben, denn eigentlich sitze ich ja in einem Meeting und muss mich konzentrieren.

„Alles in Ordnung? Ich kann die Nachricht gerade nicht abhören. Meeting.“

Dann kommen die drei Punkte.

Die Person schreibt.

Ungeduldig behalte ich den Chat im Blick und versuche mich auf das Schlimmste einzustellen.

Dann verschwinden die drei Punkte. Aber keine Nachricht kommt durch. Ich bin kurz abgelenkt, weil im Meeting gerade etwas besprochen wird, zu dem ich mich äußern muss.

Wieder vibriert mein Handy. Eine neue Nachricht ist eingetroffen.

Eine Sprachnachricht!

Ich vergesse kurz, dass ich in einem Raum voller Menschen sitze und stöhne nun wirklich auf. Mein Sitznachbar wirft mir einen fragenden Blick zu. Ich schüttele den Kopf und hoffe, dass keine Nachfragen kommen.

Die Sprachnachricht ist länger als die erste.

MIST!

Heißt das nun, es ist wirklich etwas passiert?

Ich muss dringend diese Nachrichten abhören. Die Nachricht konnte offenbar nicht geschrieben werden.

MIST. MIST. MIST.

Ich versuche mich daran zu erinnern, was dieses Familienmitglied heute machen wollte und ob es potentielle Gefahren beinhaltete. Allerdings ist inzwischen alles zur Gefahr geworden, daher hilft das nicht weiter. Selbst wenn man im Supermarkt einkaufen geht, läuft man Gefahr von schlecht gelaunten Menschen angepöbelt oder Schlimmeres zu werden. Von dem obligatorischen Überfahren auf dem Parkplatz gar nicht zu reden. Das hilft also ganz und gar nicht weiter. Im Gegenteil, diese Überlegungen verschärfen nur die Situation.

Also was mache ich? Ich kann schlecht mitten in einem Meeting mit 15 Personen mir das Telefon ans Ohr halten. Inzwischen kommt eine weitere Sprachnachricht eines anderen Familienmitglieds hinzu. Es hilft alles nichts. Ich muss wissen, ob etwas passiert ist. Schließlich ist es eine gute alte Familientradition, auf die ich gut verzichten könnte, aber sie existiert, dass wir kuriose Unfälle haben. Und in der Regel zu den unmöglichsten Zeiten.

Ich packe das Handy in die Jacketttasche und husche aus dem Raum heraus. Draußen im Flur höre ich mir dann die Sprachnachrichten atemlos an. Was ist passiert?

Mein Adrenalinspiegel ist inzwischen so hoch, dass ich bedaure, den dritten Kaffee getrunken zu haben.

Sprachnachricht 1: „Ich stehe gerade bei ALDI und hier gibt es diese großen Blumenkübel. Ich hole mir ein paar. Braucht jemand einen? Hier gibt es nicht mehr viele. Ich kann die euch mitbringen. Gebt mir nur schnell Bescheid. Die gehen schnell weg.“

Ich seufze vor Erleichterung auf. Das darf doch nicht wahr sein. Zum Glück ist nichts passiert! Aber, dass ich mal einen Herzinfarkt wegen Blumenkübeln bekommen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Irgendwo zwischendrin kam auch die Nachricht, dass Tippen zu lange dauert, und diese blöde Texterkennung einem immer einen Strich durch die Rechnung macht und das mit den Sprachnachrichten doch so viel einfacher ist.

Die nächsten Nachrichten behandeln alle das Thema Blumenkübel und welche Größen und Farben usw. usf. Ich stecke kopfschüttelnd das Handy wieder weg. Beruhigt, aber immer noch tattrig, weil so einen Schock muss man auch erst mal verdauen.

Dann gehe ich zurück in das Meeting und hoffe, dass ich mir nichts anmerken lassen. Beim nächsten Familientreffen werde ich auf jeden Fall mal das Thema „Sensible Nutzung von Sprachnachrichten“ ansprechen müssen.

Viele Grüße von einer tippenden Stephie

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert