Was macht ein Lektor?

Wenn mich jemand fragt, was ich beruflich mache, antworte ich, ich bin Lektorin. Dann schaue ich meistens in zwei große fragende Augen. Gefolgt von der Frage „Kann man davon leben?“ und „Aha, und was macht man da?“

Also erstens wenn man sich gut anstellt und engagiert ist, kann man sogar von einem solch merkwürdig klingenden Beruf leben. 😉

Zweitens: Grundsätzlich lese ich Texte. Und zwar alle Arten von Texten, von einem Flyertext über Doktorarbeiten bis hin zu wissenschaftlichen Artikeln in Fachbüchern oder Manuskripte für Monographien. Ich markiere Fehler und andere Dinge, die mir auffallen. Ich arbeite also mit den Texten. Es gibt zwei Arten von Lektoraten: Nr. 1 ist das sogenannte Korrektorat, Nr. 2 läuft unter dem Namen Lektorat.

 

Korrektorat – der kleine Bruder des Lektorats

KaffeeDas Korrektorat ist eine kleinere Version des Lektorates. Ich lese die Texte und korrigiere dabei Rechtschreibfehler, grammatikalische Unebenheiten und Interpunktionsfehler. Alles Dinge, die jedem Autor passieren und die auch überhaupt nicht schlimm sind. Es wäre nur peinlich und nicht so schön, wenn sie im gedruckten Produkt erscheinen. Häufig werden Korrektorate kurz vor einer Drucklegung angefragt, um letzte Fehler aus dem Manuskript herauszuholen. Die Autoren haben mittlerweile so lange an ihren Texten gesessen und sie so oft gelesen und überarbeitet, dass sie ihr Werk schon fast auswendig kennen und damit auch Fehler nicht mehr richtig sehen können. Sie werden betriebsblind. Das ist ganz normal. Das geht jedem so, der Texte schreibt und sie mehrfach liest und bearbeitet. Irgendwann sieht man die eigenen Fehler nicht mehr. Der Schreiber weiß, was er geschrieben hat und liest die Texte nicht mehr Buchstaben für Buchstaben, Wort für Wort. Die Augen springen schneller zu den nächsten Wörtern und Satzabschnitten, da er seinen Text ja kennt und weiß was kommt. Das Ergebnis ist: Er sieht die kleinen Buchstabendreher und Fehler nicht mehr. Und genau diese Fehler streicht der Korrektor an.

Kalender

 

Lektorat – Einmal mit allem

Das gleiche macht auch der Lektor. Aber zu einem Lektorat gehört noch ein bisschen mehr. Er sieht sich nicht nur die Wortstruktur an, sondern auch die Satz-, die Absatz- und die Kapitelstruktur. Sind die Sätze logisch, ist der Stil durchgängig, gibt es einen roten Faden in dem Artikel oder der Geschichte? Das sind alles Fragen, die ich mir stelle, wenn ich an einem Text sitze – neben dem üblichen “Ist das Wort richtig geschrieben?”. Außerdem achte ich auf alles, was mir sonst noch auffällt. Unstimmigkeiten, Merkwürdigkeiten im Text, passen die Metaphern, gibt es Wiederholungen in Form von Sinn oder konkreten Worten, gibt es zum Beispiel Verben, die zu häufig direkt hintereinander benutzt worden sind? Es gibt Etliches, das einem externen Leser auffallen kann, das man selbst als Autor eines Textes nicht mehr sieht.

StifteNeben den oben genannten Korrekturvorschlägen, die ich als Lektor anbiete, gibt es auch noch die ganze Reihe der Formalia, die ebenso zum Job des Lektors gehören. Das sind etwa die Vereinheitlichung von Schreibweisen eines Namens oder eines Begriffes. In Texten mit archäologischen Inhalten gibt es zum Beispiel unterschiedliche Schreibweisen bei römischen Namen. So kann die Göttin des Sieges, Victoria, mit c oder auch mit k geschrieben werden. Jupiter, der höchste römische Gott, kann mit J oder mit I und sogar mit einem oder mit zwei p geschrieben werden: Jupiter, Iupiter, Iuppiter. Für den Leser sind viele unterschiedliche Schreibweisen nur verwirrend und störend, daher werden sie vereinheitlicht. Auch solche Kleinigkeiten wie etwa v. Chr. oder vor Christus, Jh. oder Jahrhundert sind Punkte, die gerne mal beim Schreiben von Texten unterschiedlich gehandhabt werden. Besonders interessant, und zum Teil auch aufwändig, wird die Vereinheitlichung bei Literaturangaben und Zitierweisen. Nicht nur jeder Fachbereich, sondern auch fast jeder Verlag hat seine eigenen Zitierrichtlinien, die auf das gesamte Buch angewendet werden und die ebenso vereinheitlicht/korrigiert werden müssen.

Korrekturbögen

 

Zuerst im Manuskript, dann im Layout

Das sind alles Änderungen und Vorschläge, die ich als Lektor in dem Manuskript mache, bevor es überhaupt ins Layout geht, d. h. gesetzt wird. Die Änderungen am Text  –  größere wie auch kleinere – geschehen immer in enger Absprache mit den Autoren. Zur transparenten Darstellung meiner Arbeit und meiner Korrekturvorschläge arbeite ich mit dem Änderungen-nachverfolgen-Modus von Word. Das hat den Vorteil, dass der Autor sämtliche Änderungen sehen kann und sie entweder alle oder auch einzeln annehmen bzw. ablehnen kann. Er kann genau sehen, was ich im Text geändert habe. Und dank der Kommentarfunktion kann ich bei kritischen oder fraglichen Passagen direkt mein Problem näher erklären.

Laptop-Maus-StiftWenn das Buch oder der Artikel dann gesetzt ist, bekommt der Lektor es manchmal erneut zu sehen. Jetzt achte ich unter anderem auf die Bild- und Textanordnung. Sind die Bildaufrufe und das eigentliche Bild auf einer Seite? Sind die Textanschlüsse flüssig oder fehlt irgendwo eine Passage? Stimmen die Zwischenüberschriften, bzw. die Titel mit den Titeln im Inhaltsverzeichnis überein. Sind die Seitenzahlen und die Querverweise richtig? Manchmal erstelle ich dann auch die Register und Bildnachweise, je nachdem, was der Auftrag verlangt.

Für mich als Lektorin gehört eine enge Zusammenarbeit mit den Autoren einfach dazu. Ich halte nichts davon, Lektorate ohne Abstimmung mit dem Autor zu machen. Eine offene und freundliche Kommunikation hat mir immer gut bei meinen bisherigen Projekten geholfen.

Wenn ihr noch Fragen zu Lektorat, Korrektorat oder allgemein zu dem Berufsfeld habt, würde ich mich über Kommentare freuen. Eines ist als Lektor auf jeden Fall wichtig, man muss Spaß daran haben, mit Texten zu arbeiten.

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