Im Moment beschäftigt mich mein Krimi. Und dabei habe ich heute noch nicht einmal das Dokument geöffnet. Wenn ich ehrlich bin, habe ich seit zwei Wochen das Dokument nicht mehr geöffnet. Der aktuelle Status meines Bonn-Krimis ist: Ich bin auf Seite 33 von ca. 360 Manuskriptseiten – mitten in der ersten Überarbeitung. Ich dachte, ich lasse es langsam angehen und habe mit den groben Rechtschreibkorrekturen begonnen. Damit bin ich auch durch.
Aber das war nur eine Verzögerungstaktik. Denn jetzt muss ich mich der richtigen Überarbeitung stellen. Jetzt muss ich die Fäden aufnehmen und versuchen die Plotlöcher zu verbinden. Ich muss kritisch hinterfragen, ob die Szenen Sinn ergeben oder einfach nur Murks sind. Ist der Plot logisch? Wirken die Figuren nicht ein wenig flach? Und was hat diese Szene eigentlich an dieser Stelle zu suchen? Die sollte doch in der Theorie wo ganz anders hin.
Das Hochgefühl als ich ‚Ende‘ unter dieses Manuskript geschrieben habe, ist lange vorbei. Seitdem befinde ich mich in einem Unruhezustand, weil ich nicht genau weiß, wo ich am besten anfangen soll. Bei den Figuren? Beim Plot? Vielleicht am Ende oder doch am Anfang? Fragen über Fragen? Und dann kommen mir auch noch neue Ideen und vielleicht wäre eine andere Perspektive doch viel brauchbarer? Jetzt habe ich die ersten 30 Seiten überarbeitet und bin mir ziemlich sicher, dass es nicht die realen ersten 30 Seiten sind und weiß jetzt einfach nicht weiter.
Das Manuskript habe ich in einen großen Aktenordner abgeheftet, der in allen bunten Post-it-Farben erstrahlt. Ich habe sie inflationär benutzt. Aber ich fühle mich, als würde ich einem riesigen Berg gegenüberstehen. In der Theorie weiß ich, was ich tun muss. Die großen Aufgaben in kleinere Aufgaben herunterbrechen und einfach anfangen. Aber im Moment bin ich noch wie gelähmt. Dafür gibt es keinen Grund, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich mein Dokument immer noch nicht geöffnet habe. Anstatt dessen starte ich neue Herausforderungen auf meinem Blog. Das Gehirn ist doch schon ein seltsames Ding.
Und wie in einer Hölle beginne ich jeden Morgen mit dem guten Vorsatz, mich meinem Bonn-Krimi und der Überarbeitung zu widmen. Zuerst lenke ich mich ein wenig ab, mit Dingen, die auch erledigt werden müssen – wie etwas die Spülmaschine ausräumen. Dann muss ich noch ganz dringend das Buch auslesen und diesen Blogbeitrag schreiben. Ihr kennt das. Der Prokrastiniermodus ist auf 100 % eingestellt. Das ist selten dämlich und total blöd.
Mein nächster Versuch wird folgendes beinhalten: Ich werde die Aufgaben rund um die Überarbeitung in so kleine Aufgaben splitten, dass es absolut lächerlich wäre und absolut unverständlich, wenn ich nicht wenigstens eine davon erledigen würde. Das funktionierte bisher bei anderen lästigen To Dos auch. Hoffentlich lässt es sich auch auf das tägliche Überarbeiten übertragen. Denn genau dahin will ich. Ich will täglich meinen Krimi überarbeiten, um weiterzukommen. Das Ziel ist schließlich ein Buch zu veröffentlichen und nicht auf ewig an diesem Manuskript herumzudoktern. Diese Methode wirkt zumindest bei Helen Redfern hervorragend. Von dort habe ich die Methode. Sie arbeitet mit einer Art Kanban-Board, Din A3-Zetteln und ihrem Notizbuch. Ich hole mir gleich auch mein Notizbuch und versuche die Schritte bis zur kleinsten möglichen Aufgabe herunterzubrechen. Wahrscheinlich ist das erste To Do: Öffne das Dokument, Stephie!
Aber wenn es mich weiterbringt, warum dann nicht?
Also, es ist jetzt 16:21 Uhr. Ich wollte mich gleich heute Morgen um 10 Uhr an das Manuskript begeben. Das hat ja sehr gut geklappt. Nämlich gar nicht. Aber jetzt gewittert es draußen und es regnet und das ist das perfekt Wetter und die perfekte Atmosphäre, um mich meinem Krimi zu widmen. Also los geht es.
Ich versuche mein Vorhaben hier ein wenig zu dokumentieren. Wer weiß, wozu das gut ist.
16:22 Uhr Ich hole mir mein Notizbuch, Stift und den Manuskript-Ordner.
Mein Mansukript-Ordner enthält das Manuskript in ausgedruckter und inzwischen vollgeschriebener Version mit Anmerkungen, Streichungen und Post-its und alle möglichen Notizen, die ich auf unterschiedliche einzelne Blätter geschrieben habe. Es enthält wild Brainstormin-Sessions, halbe Character-Sheets, die Outline und ein selbstgemachtes, völlig laienhaftes Cover, aber ich prokrastiniere ja nicht zum ersten Mal.
Ich mache mir Notizen, was zu tun ist. Und in welcher Reihenfolge ich diese Überarbeitung nun wirklich angehen will. Ich hatte eine Idee, mit der ich ein Plotloch stopfen könnte, das erfordert aber massive Veränderungen. Ist es beim Überarbeiten genauso wie mit vielem anderen? Vom Großen zum Kleinen? Oder doch besser andersherum, vom Detail zum Groben?
16:25 Uhr Ich wechsle von der Couch und der krummen Sitzhaltung zu meinem Wohnzimmertisch. Ich habe heute einfach viel zu viel krumm gesessen. Ah, das ist besser.
16:43 Uhr Anstatt Notizbuch, nutze ich nun Post-its. Auf jedes Post-it kommt eine der Aufgaben. Es sind große unübersichtliche Aufgaben. Wie zum Beispiel: Zeitschiene überprüfen und überarbeiten. Sie hören sich noch sehr erschreckend aufwändig an.
16:55 Uhr Ich habe 10 große To Dos, die ich nun in kleinere aufgesplittet habe. Bei ein paar ist schnell klar, dass ich erst das eine machen muss, ehe ich etwas anderes tun kann. Ich weiß zum Beispiel, dass der Anfang noch nicht funktioniert. Aber den werde ich erst schreiben, wenn ich die anderen Überarbeitungen durchhabe. Dann weiß ich mehr und habe meine Figuren mehr ausgeformt. Dann macht der Anfang vielleicht auch wieder Sinn. Im Moment funktioniert er nicht, weil er auf der Maßgabe einer anderen Eigenschaft meiner Hauptprotagonistin beruht. Ich habe sie während des Schreibens etwas anders ausgestaltet, als mir das ganz zu Anfang klar gewesen ist. Daher passt auch der Anfang nicht mehr. Er ist zu melancholisch für meinen Geschmack. Aber daran begebe ich mich jetzt nicht. Auch in der Zeitschiene sind noch viele Fehler. Die kann ich aber erst beheben, wenn ich sie einmal gut dokumentiert habe. Und es sind eigentlich mehrere Zeitschienen: Einmal die Zeitschiene des Mordes und dann die Zeitschiene des Krimis an sich. Mir ist außerdem aufgefallen, dass mir einer der Hauptverdächtigen rein als Figur völlig unbekannt ist. Ich weiß, wer er ist. Aber ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist. Und das ist ein zentrales Element in diesem Krimi. Da muss ich also noch einmal grundlegend dran. Das wäre zum Beispiel eine der Aufgaben, die relativ früh kommen müssten. Die zweite dringende Aufgabe ist, das Manuskript Kapitelweise durchzugehen und wirklich auch am Text zu arbeiten. Am Stil, am Aufbau, an der Logik, am Ausdruck. Und ich könnte entweder eine Seite pro Tag oder auch ein Kapitel pro Tag mir als Aufgabe stellen. Beides erscheint mir als klein genug, dass ich es nicht verschiebe. Was meint ihr?
16:57 Uhr Ich habe das Dokument geöffnet!
17:49 Uhr Ich habe es geschafft. Ich habe wieder einen Anfang gemacht und ein Kapitel überarbeitet. Mit der neuen Ausrichtung der Figur bin ich zufrieden. Es scheint zu funktionieren. Unglaublich. Ich habe tatsächlich ein Kapitel überarbeitet. Es ist noch nicht perfekt. Keineswegs. Aber es ist auch nicht mehr so jämmerlich, wie zuvor. Das ist doch etwas.
Vielleicht dokumentiere ich hier noch mehr von meiner Überarbeitungsreise. Wir werden sehen. Für heute ist der Blogbeitrag geschrieben und auch ein Kapitel überarbeitet. Jetzt gönne ich mir ein Glas Wein und vielleicht folgt ja noch ein weiteres Kapitel. Wer weiß…
Hallo Stephanie 🙂
vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Es ist spannend, von deinen Überarbeitungen zu lesen. Ich bin mit meinem Manuskript noch lange von der ersten Überarbeitung entfernt, habe mir aber schon jetzt einiges aufgeschrieben, was ich bei der Überarbeitung beachten muss oder ändern will. Diese Methode, die To-Dos immer weiter aufzuspalten, klingt sehr hilfreich und in deinem Fall hat das ja auch viel gebracht. Ich muss mir das auf jeden Fall merken.
Ich würde mich freuen, mehr von deiner „Überarbeitungsreise“, wie du es so schön genannt hast, zu lesen. 🙂
Liebe Grüße
Tanja
Hallo Tanja, danke für deinen Kommentar. Eine „Überarbeitungsreise“ ist es tatsächlich. mit höhen und Tiefen, ein paar Umwegen und aber auch mit unverhofft wundervollen Ausblicken. Dir weiterhin viel Erfolg beim Schreiben.
Viele liebe Grüße
Stephanie